Klassifikation der Qigong-Richtungen

Die Geschichte des Qigong ist sehr lang und verwickelt; verschiedene Qigong-Richtungen entstanden in unterschiedliche Zeitepochen, unabhängig oder unter dem Einfluss voneinander. Viele Traditionen vermischten sich oder verschmolzen miteinander im Laufe der Zeit.

Auch heute noch werden neue Qigong-Übungskomplexe kreiert, die die Familie von Qigong-Arten ergänzen. Viele Traditionen sind noch gar nicht für die Welt bekanntgemacht worden und werden nach wie vor in abgesonderten Gegenden China geheim praktiziert.

Jede moderne Klassifikation von Qigong-Richtungen bleibt also relativ und nur ein Modell.

Man darf nicht vergessen, dass viele Begriffe und philosophische Grundsätze gleichzeitig zu verschiedenen Schulen gehören. Solche Konzepte, wie „Tao“, "Yin und Yang", "Dantian" und viele andere findet man in allen Richtungen und Schulen des Qigong.

 1. Am weitesten verbreitet im Westen ist zweifellos die Medizinische Richtung von Qigong (Gesundheitsqigong), so dass manchmal nur sie alleine mit dem Begriff "Qigong" in Verbindung gebracht wird.

Gesundheitsqigong entstand aus den Elementen verschiedener Schulen und traditioneller Heilmethoden. Alle Schulen von Qigong, unabhängig von ihren höheren Zielen, entwickelten u.a. Methoden zu Gesundheitsstärkung und Selbstregulierung. Deswegen ist die Auswahl an Übungen für Prophylaxe und Therapie sehr groß.
Auch heute werden spezielle therapeutische Übungskomplexe erfunden oder aus Elementen verschiedener Schulen zusammengestellt.

Die im Westen bekanntesten Formen des Gesundheitsqigong sind z.B. die Übungskomplexe des Daoyin Yangshen Gong, die 8 Brokate, die 18 Harmonieübungen, die Spiele der 5 Tiere usw.

Die Hauptziele dabei sind Aktivierung der Selbstregulierungskräfte des Körpers, Vorbeugung sowie Therapie von Krankheiten und Langlebigkeit bei gesundem Körper und klarem Verstand.

Gesundheitsqigong, oder Medizinisches Qigong, ist der Hauptbestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Die Behandlungsmethoden der Qigong-Therapie haben sich bei vielen Krankheiten als sehr wirksam erwiesen, manchmal auch bei denjenigen, die in der Schulmedizin als unheilbar eingestuft werden.

Heutzutage wird viel Forschungsarbeit in der ganzen Welt durchgeführt, um die Heilwirkung und die Phänomene des Qigong zu erklären und wissenschaftlich zu erfassen, sowie Qigong-Therapien bei bestimmten Erkrankungen zu entwickeln.

 2. Religiöser Richtung kann man z.B. Buddhistische, Taoistische und Konfuzianische Richtungen des Qigong zuordnen, in denen das Praktizieren von Qigong bestimmten religiösen, philosophischen oder ethischen Zwecken dient. 

- Die Konfuzianische Richtung wurde von dem berühmten chinesischen Denker Konfuzius (551-479 v. Chr.) gegründet und war von ethischen Grundsätzen geprägt. Dieses System beförderte moralische Eigenschaften und persönliche Entwicklung, um den gesellschaftlichen Nutzen jedes Einzelnen zu steigern.

- Die Taoistische Richtung gehört zu der chinesischen Urkultur. Es gibt Meinungen, dass Taoismus bereits vor etwa 5000 in Form von verschiedenen Kulten, Glaubensrichtungen und philosophischen Lehren entstanden war.

Der Stichpunkt dieser Philosophie - der Begriff Tao wurde vom berühmten Denker Lao Tse (5.-4. Jh.v. Chr.) eingeführt.
Tao kann man sehr ungefähr als "Weg" übersetzen.
Dabei enthüllt das Schriftzeichen „Tao“ (auf dem Bild) die Philosophie dieser Lehre besser, als alle Worte:

Der Block links ist ein Teil des Schriftzeichens „gehen“, „Bewegung“.

Die horizontale Linie rechts oben bedeutet „die ganze Welt“, „das Weltall“.
Zwei kleine Striche darüber deuten darauf hin, dass die Welt aus Yin und Yang besteht.
Der Block rechts unten bedeutet „ich selbst“, und der gesamte rechte Teil bedeutet „Kopf“.

Tao ist demzufolge "der Weg des menschlichen Kopfes", oder "der bewusster Weg", ein Weg der ständigen Entwicklung des Bewusstseins.
Der Mensch ist ein Erzeugnis und ein Teil des Universums, deshalb entwickelt er sich gemäß dessen Gesetzen. Die bewusste Entwicklung soll den Menschen zum Verstehen von Ganzheitlichkeit des Kosmos und von universellen Zusammenhängen des Lebens bringen.

Der Begriff "Taoismus", so wie man ihn heute kennt, entstand etwa zur Zeitwende, als die Lehren von Tao und De, die Philosophie von Yin und Yang, das Konzept des Geistes Shen und die Doktrin der Unsterblichkeit miteinander verschmolzen.

Die wichtigsten Traditionen der taoistischen Richtung ist das Praktizieren der s. g. „inneren Alchemie“ und das gleichwertige Training des Verstandes und des Körpers. Man versucht, sich in Einklang mit dem Fluss von Tao zu bringen und sich von ihm leiten zu lassen.

- Die Buddhistische Richtung des Qigong entstand kurz vor unserer Zeitrechnung, als der Buddhismus von Indien nach China kam.
Eine besondere Entwicklung bekam in China die Chan-Schule des Buddhismus (man kennt gut die japanische Variante dieses Namen: Zen-Buddhismus)

Der Gründer des chinesischen Chan-Buddhismus ist der indische Mönch Bodhidharma, oder Damo, der im zentralen Gebiet Chinas (Zhong Yuan, jetzt Henan Provinz) lange Zeit lebte und praktizierte.
Da in diesem Gebiet Tausende von Jahren davor Zhong Yuan Qigong entstand, vereinte Damo in seiner Lehre das Wissen aus Zhong Yuan Qigong und Buddhismus, sowie die lokalen Praktiken des Kung Fu, die den Körper entwickelten und stärkten. Deswegen unterscheidet sich die chinesische Tradition von Chan-Buddhismus sehr stark von der indischen.

Damo lehrte lange Zeit im Shaolin Kloster und wurde zum ersten Patriarchen Shaolins.

3. Die Sportrichtung des Qigong (auch die Kampfkunst-Schule genannt) schließt verschiedene Wushu-Arten, Sanda und andere Kampfkunstarten zusammen.

Für bessere Kampfleistungen hat diese Richtung solche Hauptziele, wie Stärkung des Körpers und des Geistes, Training der schnellen Reaktion und der Gelassenheit in jeder Situation. Auch hier erlernt man selbstregulierende und heilenden Methode. Aber diese Methoden unterscheiden sich stark von Genesungssystemen anderer Schulen und Richtungen.

Die Kampfkunst-Schule umfasst einige Stile von Wushu (man nennt sie manchmal Wushu-Qigong), das im Westen gut bekannte Harte Qigong und weniger bekannte Leichte Qigong.

Das Praktizieren des Harten Qigong verleiht dem Körper Schmerzunempfindlichkeit und erlaubt das Qi praktisch momentan an jeder beliebigen Stelle der Körperoberfläche zu konzentrieren. Das erlaubt z.B. die berühmten Phänomene in der Show der Shaolin-Mönche, wenn man Betonplatten, Ziegel und Holzbalken mit bloßen Händen zerbricht, große Lasten (wie einen Kraftwagen) ertragen kann oder unverwundbar gegenüber stechenden und schneidenden Waffen ist.
 
Leichtes Qigong erlaubt es, das Gewicht (nicht die Masse) des eigenen Körpers zu verändern, sich schnell über längere Zeit ohne Rast bewegen und dabei nicht müde werden oder fast fliegend Berge hinaufsteigen. So wurden früher Eilboten und Krieger trainiert. Die Meister des Leichten Qigong können solche Phänomene zeigen, wie das Laufen über rohe Eier oder auf einem Papierband.

 4. Eine moderne und sehr junge Richtung ist das Wissenschaftliche Qigong.
Das wissenschaftliche Qigong erforscht verborgene Fähigkeiten des menschlichen Körpers, die Einwirkung von Qigong-Methoden bei Praktizierenden oder Patienten bei der Heilung, Phänomene der Arbeit mit Zeit und Raum (wie z. B. Telekinese und Teleportierung), Methoden des Informationsempfanges im Qigong (wie z. B. Hellsehen, Weitsehen, Telepathie) und vieles mehr.

 

Einen besonderen Platz in der Klassifikation verdient noch eine Richtung, die noch fast unbekannt im Westen ist: ZHONG YUAN QIGONG.

Diese Richtung gehört zu den höchsten Ebenen des Qigong. Sie hat keine religiösen Zwecke und kann als eine uralte Wissenschaft vom Menschen und vom Leben beschrieben werden.
Die Praktik dieser Richtung bietet ein extrem breites Spektrum an erreichbaren Zielen, von der körperlichen Selbstregulierung und Harmonisierung der Psyche bis Entwicklung des außergewöhnlichen Fähigkeiten und Erweiterung des Bewusstseins, um einen direkten Informationsaustausch mit dem Universum zu betreiben.

Vor etwa 2000 Jahren begannen die Taoistische, Konfuzianische und Buddhistische Richtungen von Qigong, sowie die Chan-Lehre von Bodhidharma sich gegenseitig zu durchdringen. Da im Zentrum Chinas schon seit langem Zhong Yuan Qigong praktiziert worden war, ging auch dieses Wissen in die anderen Lehren über; ZY Qigong wurde ebenfalls von anderen Richtungen beeinflusst.
Deswegen sind manche Konzepte und Vorstellungen sehr ähnlich oder gleich in verschiedenen Qigong-Richtungen.

 

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